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analog: HEFT 04 / 2008 SEITE 35 / TECHNIK

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Liebhaber und Guru - zu Besuch bei Symphonic Line:

Das Treffen mit Rolf Gemein in der Duisburger Scharnhorststraße hatte ich mir anders vorgestellt. Der Gründer, Inhaber und Chef der edlen Marke Symphonic Line , erwartete mich nicht in einem repräsentativen Ladenlokal, sondern in einer Geschäftswohnung.

Schon kurz nach der Begrüßung wird klar, dass Rolf Gemein, der seit fast 30 Jahren in der High-End Szene aktiv ist, ein solider Handwerker geblieben ist. Seinen Hörraum, den wir nach Genuss eines richtig guten Espressos betreten, schmückt am Boden ein Kabelgewirr mit feinsten Frequenzweichen-Komponenten. Offenbar hat hier noch vor kurzem das Suchen nach optimaler Verschaltung eines neuen Lautsprechers stattgefunden. Die unkonventionelle Versuchsanordnung offenbart dem Besucher auch, worauf es Rolf Gemein mit Sicherheit nicht ankommt: auf effekthascherische Äußerlichkeiten.

Im Nebenraum dann die richtige Werkstatt: Hier treffe ich neben dem Ingenieur Michael Homburg, Dieter Schöpwinkel, der seit über 20 Jahren als Verstärkerspezialist für Symphonic Line tätig ist. „Kleiner, aber feiner Betrieb", denke ich.

Rolf Gemein erklärt mir die Prinzipien seines Schaffens: Er nennt es „Handarbeit mit Herz", mit dem Ziel, besonders natürlichen und lebendigen Klang zu reproduzieren. Das einzige - so betont er -, nach dem er strebt, ist die Antwort auf die Frage: „Wie kann ich bestmöglich ein Live-Hörerlebnis in allen Facetten in ein Wohnzimmer hineintragen - auf allen Ebenen und mit greifbaren Klangkörpern, so dass es den Zuhörer körperlich und mental vollständig erfasst, ihm Freude macht und sein Herz berührt?"
Und an der Verfolgung dieses Ziels arbeitet Rolf Gemein nicht erst seit gestern: Schon Ende der 70er Jahre stand sein Entschluss fest: „Ich will den besten Verstärker der Welt bauen."

Unterstützt von zwei Technikern gründet er die Firma Vernissage. In dieser Ära entsteht die renommierte Class A Endstufe Kraft 100. In der „Vernissage-Zeit" wird übrigens auch die High End etabliert, deren Mitinitiator Rolf Gemein ist. 1984 verkauft er Vernissage und gründet als Alleininhaber Symphonic Line. Symphonic Line ist heute Vollsortimenter in Sachen HiFi, manche sagen dazu auch Full-Liner. Rolf Gemeins Traum war immer die komplette Kette - jedes einzelne Aggregat perfekt auf die übrigen abgestimmt. Und diesen Traum hat er verwirklicht. Eine Vielzahl von Komponenten schmückt aktuell das Symphonic Line Programm; allein drei Lautsprecher-Serien und vier Vollverstärker. Eine ganze Menge für die Duisburger Manufaktur, die rund 150 Geräte pro Jahr verkauft. Nur Tonabnehmer fertigt die HiFi-Edelschmiede nicht selbst - die stammen vom namhaften Hersteller Van den Hul - entstanden nach vielen Besuchen in Holland in gemeinsamer Arbeit. Die Version RG 8 Gold wird ausschließlich mit speziellen „Zutaten" für Symphonic Line gefertigt.
Viele Symphonic Line Produkte sind schon seit Jahren erfolgreich im Markt und beweisen sich doch ständig neu. Das Laufwerk RG 6 übt schon optisch eine Faszination aus, der sich kaum jemand entziehen kann. Der Teller wiegt 25 Kilogramm, die Oberflächen sind vom Auftraggeber individuell bestimmbar. Schon 1992 erzielen das zeitlose Design und der überragende Klang in der amerikanischen Fachpresse Spitzenkritiken. Auch die übrigen Geräte erhalten regelmäßig Bestnoten von nationalen und internationalen Fachmagazinen. Kaum ein Monat, in dem nicht ein Produkt der Symphonic Line-Palette in Zeitschriften beschrieben, getestet und meist für überragend gut befunden wird.
Mehrere Verstärker sind schon seit Jahren unverzichtbare Arbeitsgeräte namhafter Redaktionen. Alte und neue Tests zitiert die informative Website von Symphonic Line sehr umfänglich. Rolf Gemein, den manche auch „HiFi-Guru" nennen, macht aus seiner Orientierung an das fernöstliche Feng-Shui kein Geheimnis. Seit früher Jugend beschäftigt sich der Tüftler mit den Grenzgebieten der Wissenschaft. Feng-Shui, die alte chinesische Philosophie, lehrt den Menschen, durch spezielle Gestaltung seines Lebensraums eine Harmonisierung mit seiner Umgebung zu erzielen. Doch während Feng-Shui heutzutage bei der Anlage von Gärten, in der Hausarchitektur oder im Landschaftsbau ein ernst genommenes Thema ist, löst sein Einfluss in Konstruktion und Bau von HiFi-Geräten oft kontroverse Diskussionen aus. Schlimmstenfalls fällt das böse Wort „Voodoo". Rolf Gemein lässt sich davon nicht beirren.Er lebt initiativ seine in vier Jahrzehnten gewachsenen Erkenntnisse des wissenschaftlich schwer Nachweisbaren - aber sinnlich stets Erlebbaren -, und nennt ihre Subsummierung in seinem Lebens- und Arbeitsumfeld RMA - die Resonanzmusterabstimmung. Laut Rolf Gemein dreht sich hierbei alles um Schwingungen, die jedes materielle Objekt aufnimmt, abgibt oder durch die es angeregt wird. Hierbei handelt es sich sowohl um Schallwellen, als auch um die Arbeitsenergie von Bauteilen in den Geräten oder um die Wirkung elektromagnetischer Wellen, die durch Mensch oder Umgebung erzeugt werden. Da diese Schwingungen in Intensität und zeitlicher Abfolge unterschiedliche Strukturen aufweisen, liegt der Schwerpunkt der Optimierungsarbeit darin, durch die Resonanzmusterabstimmung möglichst viele der meist nicht sicht- und hörbaren Schwingungsmuster zu identifizieren und auf einer höheren Ebene zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Ziel dieser Beseitigung von Überlagerungen im Klangbild ist die positive Anregung des Menschen und seiner Umgebung.Was heißt das in der Praxis? Symphonic Line arbeitet mit dem gezielten Einsatz bestimmter Dämmmaterialien und Lacke und mit der sorgfältigen Entkopplung wichtiger Baugruppen. Verwendet werden in reiner Handarbeit ausschließlich hochwertigste Komponenten. Rolf Gemein ist absoluter Bauteile-Experte. Für die Geräte nur die besten Zutaten, so seine Devise. Die Platinen sind zwei Millimeter stark und doppelseitig kaschiert, die Netzteil-Kondensatoren werden nur für ihn produziert. Wo wir gerade beim Netzteil sind: Sie sind eigentlich immer überdimensioniert und die vakuumgetränkten und vergossenen Ringkerntransformatoren werden zusätzlich in einen Becher aus Mumetall gesetzt. Abschließend stimmt Rolf Gemein persönlich jedes Gerät - und er betont: jedes - nach Gehör ab.

Ein weiterer Punkt der Gemein'schen Philosophie hinsichtlich Qualitätsicherung und -erhaltung stellt sein Upgrade-System dar. Während viele andere Hersteller in regelmäßiger Folge immer neue Geräte auf den Markt werfen, legt Symphonic Line großen Wert auf den Erhalt und die Modifikation bereits gebauter und in Dienst gestellter Produkte. Zu akzeptablem Preis werden ältere Geräte auf den neuesten Stand gebracht. Viele Betreiber von Symphonic Line Produkten erhalten auf diese Weise ihre Geräte schon seit vielen Jahren- teilweise Jahrzehnten -, ohne alte oder veraltete Technik benutzen zu müssen.

Seit über 20 Jahren Verstärkerspezialist bei Symphonic Line:Dieter Schöpfwinkel

Ich spreche Rolf Gemein auf die digitale Technik an. Dazu hat er ein spezielles Verhältnis. Die Frage betrifft ohnehin nur seine CD-Spieler - seine Verstärker sind rein analog aufgebaut. Lange Zeit wollte er trotz guter Nachfrage keine eigenen CD-Spieler bauen: „Das Prinzip war mir nicht gut genug."

Heute sind sie natürlich im Programm von Symphonic Line: Top CD-Spieler mit 24-Bit Chiptechnologie, die sehr analog -lebendig und räumlich - klingen.
In all seinem Fühlen und Denken ist der Altmeister immer ein „Analoger" geblieben. Das beweist auch seine immer noch aktive mechanische Adler-Schreibmaschine - für einige Betrachter ein Kuriosum, für Rolf Gemein praktische Realität -, und sein Wunsch, Kontakte - wenn möglich - nicht über e-mail stattfinden zu lassen. Ab Mittag ist er generell telefonisch gut zu erreichen und nimmt sich viel Zeit für den Anrufer. Der Verkauf selbst geht allerdings ausschließlich über den authorisierten Fachhandel.

Zum Schluss meines Besuchs bei Symphonic Line die obligatorische Hörsession: Wir hören über RG 6, RG 14 Edition und RG 5. Zunächst Brubeck, dann Nana Mouskuri, schließlich Paul Kuhn live. Hoppla, das haut mich auf einmal weg. Plastizität und Räumlichkeit pur. Früher war mit Paul Kuhn immer zu seicht, aber jetzt geht die Post ab. Die Art und Weise, wie mir die Kette den alten Mann mit Klavier ins Gemein'sche Hörzimmer stellt, ist einfach nur eins: Spitzenklasse. Let it swing.
Text: Klaus von der Gathen
Fotos/Abb.: Symphonic Line,
Klaus von der Gathen-Bericht: Ende