2015_HiFi-Stars Ausgabe 26: RG 10 MK IV Reference
Vollverstärker Symphonic-Line RG 10 MK IV Reference HD Master
In einem Gespräch mit Rolf Gemein kamen wir darauf, daß er mit Symphonic Line sein dreißigjähriges Firmenjubiläum feiert und alles in allem 35 Jahre erfolgreich in der High-End Szene unterwegs ist. Der Vollverstärker RG 10 MK IV Reference Master ist in seiner vierten Evolutionsstufe somit gleichzeitig auch als Jubiläumsgerät zu sehen. Daß die neueste Verstärkerversion aus
dem Hause Symphonic-Line exklusiv bei HiFi-STARS beschrieben wird, ehrt uns sehr.
Alte Schule
Rolf Gemein besitzt ein iPhone und benutzt es sogar, gleichzeitig schreibt er seine Lieferscheine/Rechnungen (garantiert abhörsicher für NSA u.a. Kandidaten) mit der guten alten Schreibmaschine. „Alte Schule“ ist eher in seiner Grundauffassung zum Gerätebau zu finden.
„Die Bauteile müssen robust sein und dabei hochmusikalisch spielen”, so defi niert er seinen eigenen Anspruch an seine Produkte. Viele Bauteile werden extra für die Manufaktur nach deren Maßgabe angefertigt. Rolf Gemein ist ein Geradeausdenker und – was ihn sehr sympathisch macht – auch ein Geradeaussprecher. Umso erfrischender ist ein Gespräch mit ihm. Manche haben da vielleicht ein Problem, hört man ihm aber einmal bei seinen zahlreichen Vorführungen einfach nur konsequent zu, dann versteht man seine Philosophie...
Rückblick
Wir schreiben das Jahr 1982 – ein denkwürdiges Jahr. Ein gewisser Kohl wurde nach einem Mißtrauensvotum zum Bundeskanzler gewählt, Kanada erhält die volle Souveränität, der Falklandkrieg tobt, das erste deutsche Retortenbaby wird in Erlangen geboren und im Finale der Fußballweltmeisterschaft unterliegt Deutschland gegen Italien mit 3:1 – wenn man so will, ist letzteres das wichtigste Ereignis der geschilderten...
Das Jahr 1982 ist allerdings auch wichtig für die HiFi-Szene, denn in diesem Jahr gründete sich die High-End und Rolf Gemein zählt zu denjenigen Gründungsmitgliedern, die sich bis heute aktiv in dieser Szene bewegen.
Technik
Er steht wie kein anderer für: „Seit nun mehr über dreißig Jahren kontinuierlich und systematisch weiterentwickelte Unterhaltungselektronik aus dem Pott“. Wer ihn einmal persönlich kennenlernt, der versteht, warum er in der Szene durchaus als „Herzblut-High-Ender“ gilt. Er ist nämlich immer mit Leib und Seele dabei und längst ist seine Manufaktur Symphonic Line mehr als nur ein markengeschützter Begriff – nämlich ein sogenannter Vollsortimenter, dessen Repertoire vom Plattenspieler bis zum Lautsprecher reicht. Alles exklusive Einzelanfertigungen in Handarbeit.
Testobjekt
Da steht er also vor mir – der Kandidat, der laut Hersteller so „musikalisch“ sein soll. Ein solider Brocken mit seinen 22 KG plus 5 KG Netzteil. Womit wir sogleich bei der Spezialität dieser Version des Verstärkers sind. Symphonic Line verwendet hier zwei Netztransformatoren, einen mit 450 Watt im Gerät selbst und einen weiteren mit 300 Watt im externen Netzteil. Dieser ver-sorgt die Vorverstärkung des RG 10 MK IV Reference HD Master mit Strom. Der Aufbau im Inneren ist blitzsauber und geradezu militärisch geordnet. Die acht großen Elkos (Kondensatoren mit extrem widerstandsarmen Folien) sorgen für die Versorgung der Endstufen, jeder davon besitzt 13.000 Mikrofarad und in der Summe demnach 104.000 Mikrofarad. Wozu benötigt man eigentlich so etwas? Spätestens, wenn es darum geht, entsprechend solide Baßimpulse exakt wiederzugeben, sind jede Menge Mikrofarad sehr hilfreich. Auf den RG 10 MK IV Reference HD Master bezogen: Hier „sausen“ 104.000 Volt gleich Mikrofarad (μF). Das separate Master-Modul verfügt zusätzlich noch über 280.000 μF. Diese für eine Vorstufe außergewöhnlich hohe Zahl sorgt die erforderliche Ruhe in dieser Sektion. Daneben sind in dieser Evolutionsstufe des Verstärkers unzählige Tuningmaßnahmen seitens des Herstellers gelaufen. Die technischen Daten lassen die Erwartungs-haltung bei mir wachsen. Die Zutaten stammen allesamt aus der Edelküche der Elektronikbauteile, von denen ich beispielsweise die Trafos näher betrachten will. Sündhaft teure Mu-Metall-Becher ummanteln die vergossenen Ringkerntrafos und sorgen damit für die notwendige perfekte magnetische Schirmung. Die vier Folienkondensatoren stammen von einem deutschen Hersteller, der so etwas schon seit Jahrzehnten perfekt beherrscht – Siemens! Trafobrummen gibt es schaltungsbedingt hier nicht. Dicke Halbleiter helfen hierbei erheblich. Überhaupt ist die Materialverwendung alles in allem ganz einfach und umfassend mit „brachial“ richtig beschrieben. Der Verstärker zeigt dies schon in seinem Äußeren. Dickes Stahlblech, sauber lackiert und ergänzt mit einer 10 mm massiven Aluminiumfront, die entweder in silberner oder schwarzer, zudem immer in gravierter Version geliefert wird.
Zuarbeiter
Rolf Gemein legte zum Test sein eigenes Lautsprecherkabel – genannt „das Schnelle“ – bei. Faire 680 € für das 2 x 3 Meter-Set erstaunen ebenso wie das Symphonic-Line NF-Kabel „HD“ für 860 € der Stereometer. Damit könnte das Kabelthema in Verbindung mit Symphonic-Line-Geräten durchaus ad acta gelegt werden... Ich empfehle Experimente mit diesen Kabeln unbedingt!
Hörmaterial
Ich starte die Hörsitzung mit Chuck Mangione und seinem „Consuelo’s Love Theme“. Hier wird nicht lange gefackelt, entweder kann der RG 10 MK IV Reference HD Master gleich von Anfang „richtig aufspielen“ oder wir hören schnell wieder auf. Ganz absichtlich beginne ich mit dieser hervorragend aufgenommenen Produktion der Chesky-Brüder aus dem Jahre 2000.
Gilt es doch die besonders langgezogenen Passagen der Trompete sauber aufzuzeigen. Rolf Gemein warnte mich vor: „bitte erst Einspielen“ erst dann kommt das „klangliche Vergnügen“. Nun, ein nicht ungekanntes Verhalten bei neuen HiFi-Gerätschaften ist das: „sich einspielen“. Interessanterweise wurde der RG 10 Mk IV Reference HD Master von Stunde zu Stunde der Hörsitzung besser. Ich ließ ihn dann für 48 Stunden am Netz und hörte danach erst richtig hinein.
Besonders auff ällig ist jetzt seine Fähigkeit, Blasinstrumente mit einer nachvollziehbaren Luft zu versorgen. Er stellt alle Instrumente sofort perfekt positioniert und mit dem entsprechenden Abstand zueinander in den Raum – ohne irgend etwas dabei zu vergessen. Ein Beispiel mit zarter Frauenstimme, hier von Rebecca Pidgeon mit „Underground“. Der Verstärker läßt der Stimme alle Zeit sich zu heben, zu schwingen und zeigt dies souverän. Wenn Rebecca zwar leise, jedoch vernehmbar haucht, dann ist genau so etwas die Spezialität dieses Verstärkers. Kari Bremnes ist ein weiterer Musiktipp hierzu. Mit ihrer melancholischen Stimme zaubert sie weite Klänge in den Hörraum. Diese zarte Subtilität in ihren Liedern wird von diesem Ver-stärker feinfühlig präsentiert. Dabei vergißt er nicht (wie gerne mal andere Verstärker) vor lauter Kraft auf die Details zu achten, er zeigt diese eher wie selbstverständlich auf. Seine Fähigkeit, bruchlos die unterschiedlichsten Tonlagen zu präsentieren ist mit hoher Sicherheit der zuvor in der Technik geschuldeten μF-Leistungsansammlung zuzuschreiben.
Wäre ja auch ein Wunder, denn wer als Entwickler/Hersteller im Aufbau schon alles richtig macht, kann im Klanggeschehen nur Beifall ernten. Allerdings wird nicht nur bei den technischen Teilen Wert auf energetische Gleichwertigkeit gesetzt, sondern insbesondere auf perfektes Ein- und Ausschwingverhalten.Viel Instrumente und voller Sound? Ja. So etwas bietet Paquito D’Rivera mit „Chucho“. Lateinamerikanische Klänge, die von dem RG10 „Master“ druckvoll und luftig wiedergeben werden. Schmetternde Bläserattacken sind ohnehin seine persönliche Leidenschaft , so scheint mir... Congas stehen blitzsauber vor mir, der Rest der Band ist nachvollziehbar auf der Bühne verteilt. Immer dann, wenn es gilt, einem Testgerät auf „die Platine“ zu fühlen, kommt bei mir Didier Squiban mit „Porz Gwenn“ in die Lade des digitalen Zuarbeiters.
Achtzehn Piano-Stücke tragen meine Gedanken weit weg, gerne blättere ich dabei im Booklett und sehe mir die Bilder der Heimat dieses Musikers an – die Insel Molene vor der Küste der Bretagne. Einfach traumhaft wie der RG 10 MK IV Reference HD Master die Töne des Steinway-Flügel präsentiert. Gerade das Ausschwingen der Saiten zum Schluß eines Stückes hält wunderbar lange nach. Viel Luft wird hier im Hörraum angeregt.
„Sahnehäubchen“Das integrierte Phonoteil muß ebenfalls auf seine Leistungsfähigkeit hin überprüft werden. Das Symphonic-Line ausgezeichnete Phonoverstärker bauen kann, wissen wir spätestens seit dem Test der herausragenden Phonovorstufe Reference HD in Heft 22 der HiFi-STARS. Bei Manu Katché’s „Live in Concert“ gefällt mir besonders die Vielseitigkeit der Aufnahme in Ihrer Tonalität. Vom Post-Bop des prä-elektrischen Miles Davis über den Blue Note-Soul Jazz der Mitt- und Endsechziger – hier wird vieles abgedeckt. Das kann einerseits satt groovend oder auch ganz zart vorgetragen werden. Das Ganze wird in einer schon fast spektakulär direkt klingenden Hochbit-Aufnahme in der Rille gefangengehalten. Der Phonoeingang des RG 10 „Master“ setzt diese Klänge direkt in meinem Hörraum frei – das ist eindeutig ganz großes Klangkino!
So sehe ich insbesondere das Phonoteil als „Sahnehäubchen“ bei diesem Verstärker, denn hiermit hebt er sich eindeutig von den Mitbewerbern seiner Preisklasse ab, wobei die Hochpegelwiedergabe in Nichts nachsteht.
Wie kommt es zu solchen Produkten?
Nennen wir es „Rolfologie“Zugegeben ein Kunstwort, aber es paßt gleichwohl so herrlich auf dieses High-End-Urgestein Rolf Gemein. Seine Logik ist nachweislich und begründet sich im Grunde einfach: „hochmusikalische Wiedergabe und Dauerhaftigkeit“. Beide Begriff e stehen als Synonyme für Produkte aus dem Hause Symphonic-Line. Seine Äußerungen erscheinen mir gelegentlich am Rande der Mythologie und driften für den ein oder anderen vielleicht auch in Bereich der Esoterik ab, gleichwohl muß man hier „den Mensch hinter dem Gerät sehen“.
Rolf Gemein besitzt seit langem Affinitäten zu asiatischer Philosophie, Taologie, modernes Feng-Shui, C.G. Jung, Aura-Energiearbeit, Quantenphysik und natürlich: Musik. Ich vergaß – er liebt japanisches Essen!Bereits ein Blick ins Innere der Gerätschaften zeigt Grundprinzipien seines Handelns auf. Beste Bauteile, stets hand- als auch klangselektiert – sprich nicht allein ausgemessen, sondern abgehört, daß ist sein Credo. Zu
dem werden bestimmte Bereiche (in allen seinen Produkten) zum Schluß persönlich von ihm noch mit Geigenlack C37 „feinabgestimmt“. Als persönliches Klangmaß der Dinge zur Tonalität gilt für Rolf Gemein unten anderen das Passaggio beim Ausnahmetenor Fritz Wunderlich. Passaggio bedeutet ganz einfach, daß die Stimme bruchlos vom Brust- zum Kopfbereich hinführt. Wer die Hochtonkoloraturen einer Cecilia Bartoli kennt, weiß warum auch dies ein oft gehörter musikalischer Prüfstein bei Symphonic Line ist. Erst wenn ein Symphonic-Line-Gerät bei diesem Prüfdurchgang die Zufriedenheit von Rolf Gemein erreicht, ist es für den Verkauf bereit. Kein Wunder also, wenn die Gemeinschen Produkte seit Jahrzehnten tadellos funktionieren und selbstverständlich jederzeit auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden können.
Symphonic Line – Geräte erfüllten von sich aus schon immer das heutzutage so quälend diskutierte Thema der Nachhaltigkeit. Jeder RG-9, 10, 14 – Verstärker der letzten 25 Jahre läßt sich auf die Jubiläumsversion aufrüsten.
Billig sind Symphonic-Line-Produkte nie gewesen – aber war/ist billig jemals gut...? Allein gemessen an ihrer Haltbarkeit allerdings waren und sie immer ihren Preis wert. Kann ein Verstärker musikalisch sein? Natürlich nicht im Sinne der Musikproduktion, aber sehr wohl im Sinne der Musikreproduktion. „Hier spielt die Musik“. Ein herrlich doppeldeutiger Begriff, der in seiner Benennung ebenfalls sogleich perfekt zu den Symphonic Line – Geräten paßt. Halten wir uns dazu ganz einfach eine bekannte Hörsituation wie z.B. bei einem Livekonzert vor Augen. Das Orchester (oder die Band) betritt die Bühne und die ersten Töne erheben sich. Was folglich passiert ist nichts anderes als Physik, namentlich: Schallausbreitung.
Die Art und Weise in welcher Qualität dies geschieht, kann zwar an dieser Stelle nicht näher erläutert werden, jedoch will ich einen altbekannten Begriff in das Geschehen einbringen, der schlechte Aufnahmen von den guten Aufnahmen unterscheidet. Bei guten Aufnahmen ist „Luft“ zwischen den einzelnen Instrumenten – wie beim Liveerlebnis quasi hör-, spür- und/oder greifbar. Denn hier sind wir urplötzlich beim Ausdruck der Musikalität im Zusammenhang mit einem HiFi-Verstärker. Nur ganz wenige Verstärker sind in der Lage, diese zwar unsichtbare, jedoch spürbare „Luft“ zwischen den Instrumenten aufzeigen.
Dieser hier kann das! Seit Gründung von Symphonic-Line lautet das Credo von Rolf Gemein: „dreidimensionale und lebendige Musikwiedergabe mit Herz“. Wie macht Gemein das? Erstmalig ist er bereit über seine Herangehensweise Auskunft zu geben und argumentiert wie folgt: „Ich ermittle für jede Schaltung die ideale Anstiegsgeschwindigkeit und Frequenzbreite, denn diese entscheidet über das Ein- und Ausschwingverhalten. Eine korrekte und gleichbleibende Phasenlage korreliert mit der Hörphysiologie von uns Menschen – und nicht allein den Meßgeräten. Einstellung von möglichst gleicher Energielieferfä-higkeit bei allen Frequenzen/Bässe/Mitten/Höhen. Jedes Bauteil wird als Individuum betrachtet und entsprechend behandelt RMA – bedeutet „Resonanz-Muster-Abstimmung“ bedeutet z.B. mit C37 Geigenlack und anderen Maßnahmen vorhandene Resonanzen beseitigen und auf eine einzigen Schwingungspunkt beziehen“. Natürlich benötigt der Rest der eingesetzten Gerätschaften innerhalb der Stereoanlage ein entsprechend adäquates Niveau – dies sei nur zur Vollständigkeit angemerkt. Denn obwohl dem Verstärker eine bedeutende Rolle im Sinne der Signalübertragung zukommt, ist er (leider) nicht der alleinige Garant für eine entsprechend hochwertige musikalische Wiedergabe unserer geliebten Tonträger, unbenommen vom jeweiligen Format.
Auf den Punkt gebracht
Ich mag Vollverstärker – und dieser RG 10 MK IV Reference HD Master ist ein Genußverstärker, der nach entsprechender Reifung die Freunde des potenten Vollverstärkers unter uns begeistert. Was hier geboten wird ist echte Weltklasse aus Duisburg. Mitbewerber die ihm das Wasser bieten können, kosten ein Vielfaches mehr – und genau das macht (Gemein) süchtig!
Alexander Aschenbrunner