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Hifi Stars 04/2009: RG 9 MK 4 Reference CD-Spieler

Eine preiswerte Anlage für "nur" 10.000 Euro?

Auf der High End 2009 in München hatte mich Symphonic-Line-Chef Rolf Gemein neugierig gemacht.

Der deutsche High-End-Pionier hatte mir eine edle Kombination aus seinem Vollverstärker RG 9 MK 4 in der Top-Ausbaustufe Reference und seinem CD-Spieler Vibrato vorgestellt und nebenbei die Bemerkung fallen lassen: „Diese Anlage kostet zusammen mit unserem NF-Kabel Reference rund 10.000 Euro, spielt aber durchaus in der 20.000-Euro-Liga mit!". Ganz klar, daß ich diesem hohen Anspruch nachgehen will.

Zwei Wochen später ist es schließlich soweit, die beiden Pakete mit den Geräten treffen bei mir ein. Aus dem einen Karton hebe ich vorsichtig den Verstärker RG 9, aus dem anderen den CD-Spieler Vibrato. Allein schon das Gewicht der beiden signalisiert eindrucksvoll die massive Wertarbeit. Einen vertrauenserweckenden Eindruck vermitteln auch die mitgelieferten hochwertigen Netzkabel - selbst in dieser Preisklasse nicht immer selbstverständlich.

In unserer Testgeräte-Kombination mit dabei auch ein Set des türkisfarbenen NF-Kabels Symphonic Line Reference. Dieses Spitzenkabel des Hauses schlägt mit 730 Euro pro Stereometer zu Buche. Es ist standesgemäß mit den hervor-ragenden WBT 0110 „Nextgen"-Steckern konfektioniert. Wirklich gut sieht er aus, der RG 9 MK4 Reference.

In die mattsilbrige Frontplatte des Verstärkers sind sämtliche Beschriftungen sowie die Gerätenummer eingraviert. Entsprechende Beleuchtung bringt die Kanten der Gravur zum Funkeln. Eine weitere optische Steigerung kann gegen Aufpreis mit der exklusiven Edel-glanzoberfläche Aranya erzielt werden. Diese wird in einem aufwendigen Verfahren hergestellt und passt sich der Farbtemperatur der Umgebung an. Die zeitlose Eleganz macht dieses Gerät ganz automatisch zum Blickpunkt im Wohnambiente.
Die Haptik ist vom Feinsten. Wer eine Vielzahl von Einstellmöglichkeiten sucht, kommt bei Symphonic Line zu kurz. Denn an Bedienungselementen bietet der Vollverstärker - dem High-End-Anspruch getreu - nur das wirklich Allernötigste: den Powerschalter, den Eingangs-Schalter für die Wahl der Signalquelle, die Umschaltung zwischen Vor- und Hinterband eines angeschlossenen Tonbandgerätes sowie den etwas größer gehaltenen Lautstärkesteller. Es macht einfach Spaß, diese vier - übrigens aus dem Vollen gedrehten -Knöpfe zu betätigen.

Die Handhabung erinnert mich ein wenig an die massiven Schwungräder, mit denen man bei vielen berühmten Drehkondensator-Tunern der siebziger Jahre die Sender auf der Skala einstellte. Auf der Frontplatte links befindet sich die Klinkenbuchse zum Anschluß eines Kopfhörers sowie ganz rechts oben das Empfangsauge für die Fernbedienung. Auf der Rückseite fallen sofort die massiven WBT-Lautsprecherklemmen auf, die sowohl Bananen-, als auch Gabelstecker und sogar lose Kabelenden aufnehmen. Neben Hochpegeleingängen für CD, Tuner, AUX und Tonband steht auch ein Ausgang für Tonband sowie ein separater Vorstufenausgang zur Verfügung. An den RG 9 MK 4 Reference läßt sich zudem ein Phono-MM-oder MC-System mit Möglichkeit zur Anpassung anschließen; der Umschalter zwischen MM und MC sowie die obligate Masseklemme für den Plattenspieler sind ebenfalls auf der Geräterückseite untergebracht. Sämtliche rückwärtige Ein- und Ausgänge sind Cinch-Anschlüsse.

Obwohl die Symphonic-Line-Geräte nach außen hin gar nicht „technisch" wirken, steckt jede Menge hochwertige Technik drin. So ist Rolf Gemein stolz auf Details im Innenleben des aktuellen RG 9 MK4: „Den Ringkerntrafo setzen wir zusätzlich in einen Mumetall-Becher. Mumetall ist zwar sündhaft teuer, hat aber beste Abschirmwirkung und das ist gut für den Klang", sagt er. Weitere serienmäßige Feinheiten sind das Doppelwellengleichrichtungsmodul und die Resonanzmusterabstimmung, mit der ein Höchstmaß an Musikalität herausgeholt werden soll. In der hier beschriebenen Reference-Ausführung besitzt der RG 9 MK4 darüberhinaus auch noch das spezielle Reference-Vorstufenmodul. Leistung ist ausreichend vorhanden: 2 x 140 Watt Sinus an 8 Ohm, 2 x 250 Watt Sinus an 4 Ohm. Was mir beim CD-Spieler Vibrato sofort auffällt, ist das Fehlen jeglicher Bedienungselemente auf der Frontseite. Ohne Fernbedienung geht - außer der Betätigung des harten Netzschalters auf der Geräterückseite - absolut gar nichts. Das mußte ich selbst schmerzlich erfahren, als ich die Geräte im Photostudio ablieferte und vergessen hatte, auch die Fernbedienung mitzunehmen. Also wieder nach Hause HOMEfahren und die Fernbedienung holen. Aus Fehlern wird man klug...

Die Rückseite weist einen unsymmetrischen Cinch- und einen symmetrischen XLR-Anschluß als analoge Ausgänge sowie einen Koax-Anschluß als Digitalausgang auf. Serienmäßig liefert Symphonic Line zudem einen 75-Ohm-Abschlußstecker für den Digitalausgang gleich mit. Das sollte auch bei anderen Herstellern Schule machen! Ebenfalls auf der Rückseite befinden sich der Netzschalter sowie der Stecker für das mitgelieferte Netzkabel. Gleich zwei Fernbedienungen liegen bei - eine konventionelle in schlichtem „Fernbedienungsschwarz" und eine weitere mit farbigen Tasten, die darüberhinaus auch gleich die Lautstärke am Verstärker sowie den hauseigenen Tuner steuert. Obwohl der Vibrato zu den „kleineren" CD-Spielern von Symphonic Line zählt, ist er im Inneren aufwendig aufgebaut und mit hochkarätiger Technik bestückt.

Beispiele gefällig? Etwa der 24-Bit-D/A-Wandler, die Class-A-Ausgangsstufe, das zwei Millimeter hoch aufgekupferte Platinenmaterial, die streng selektierten Bauteile. Tüpfelchen auf dem „i" ist die Resonanzmusterabstimmung, mit der Gehäuse und Mechanik in akribischer Vorgangsweise optimiert sind. Genug der Technik! Ob die noble Kombination aus Duisburg wohl so gut klingt, wie sie aussieht? Um das herauszufinden, muß ich mich möglicherweise noch etwas gedulden, denn Rolf Gemein beziffert die erste Einspielphase mit drei, vier Wochen. Was er mir sonst noch ans Herz legte, ist ohnedies Pflichtprogramm für den ambitionierten Audiophilen: Die Geräte auszuphasen und ihnen einen stabilen Standort - etwa im Rack - zu gönnen. Die optimale Laufrichtung der NF-Verbindungzum Verstärker ist ohnehin mit Pfeilen markiert. Also anschließen und einschalten.

Ich füttere den Vibrato zunächst im Dauerbetrieb mit unterschiedlichemProgrammaterial - Klassik, Pop, Blues, Jazz. Dann und wann ertappe ich mich beim neugierigen Zuhören - und bin erstaunt! Noch nicht einmal eingespielt und in den Höhen vielleicht etwas scharf, spielt diese Kombination mit faszinierender Musikalität und einem atemberaubenden Drive auf. Ich kann es kaum erwarten, auf Entdeckungsreise durch meine CD-Sammlung zu gehen. Analoges Feeling kommt auf. Die allererste Silberscheibe, auf die ich mich konzentriere, wähle ich eher zufällig aus. Es ist „The Best Of Manhattan Transfer" (Atlantic 7567-81582-2) und ich lege sie recht selten auf, besitze ich doch einige schwarze Scheiben dieser US-Vokalgruppe, die ich normalerweise der CD vorziehe. Normalerweise - denn bereits bei den ersten Takten von „Tuxedo Junction" über die Symphonic-Line-Kombi macht sich bei mir „analoges Feeling" breit.

Jetzt erkenne ich plötzlich, was mir bisher bei der Wiedergabe dieser CD immer gefehlt hat. Einfach wunderbar, wie die Gesangsstimmen herüberkommen. Das Timing stimmt und die feinsten musikalischen Strukturen liegen offen. Gleichzeitig macht der Verstärker deutlich, daß er auch im Bassbereich fest zupacken kann, ohne an Präzision zu verlieren. Derart temperamentvoll habe ich etwa „Birdland" kaum jemals gehört.

Stillsitzen geht nicht! Eine CD nach der anderen wandert jetzt in die Lade des Vibrato. Die legendäre, von Ry Cooder produzierte Scheibe „Buena Vista Social Club" (World Circuit WCD 050) veranlaßt mich zum Mitsingen. Die kubanischen Altstars mit ihren unverwechselbaren Stimmen stehen mir direkt gegenüber, dazu die einzelnen Instrumente aufgefächert im perfekt ausgeleuchteten Raum. Die Bühne erstreckt sich über die gesamte Breite meines Abhörraumes, läßt die Lautsprecher als Schallquellen völlig vergessen. Das Master der in Havanna eingefangenen Aufnahmen stammt immerhin von Bernie Grundman - und das hört man auch!

Laut Gemein lohnt es sich, mit der Aufstellung der Lautsprecher ein wenig zu experimentieren. Wirken weibliche Stimmen in der Bühnenmitte übergroß, ist es ratsam, die Lautsprecher etwas weniger stark einzuwinkein. In meinem Fall habe ich die Lautsprecher nahezu parallel zur Rückwand positioniert - in entsprechendem Abstand vor dieser, versteht sich. Geräte der oberen Qualitätsstufe - so meine Erfahrung - reagieren meist eher ungnädig auf mittelmäßiges Programmaterial und servieren die negativen Seiten einer Aufnahme umso deutlicher. Das Gespann von Symphonic Line lenkt jedoch die Aufmerksamkeit auf die „Schokoladenseite" einer Aufnahme. Die selbstverständlich vorhandenen und auch hörbaren klanglichen Minuspunkte fallen subjektiv nicht so ins Gewicht und lassen sich auf diese Weise besser verschmerzen. Das hat meiner Meinung nach absolut nichts mit mangelnder Neutralität zu tun, sondern eher mit der anspringenden Lebendigkeit und überschäumenden Musikalität des Duos. Ein gutes Beispiel dafür ist der Sampler „Astrud Gilberto", der im Rahmen der Serie Verve Jazz Masters in den neunziger Jahren herauskam (Verve 519 824-2). Ich besitze mehr als ein Dutzend Analogplatten mit der brasilianischen Sängerin - an die lieblose und teilweise technisch defekte Überspielung der Einzeltitel dieses Samplers reicht keine meiner Platten auch nur annähernd heran. Der Vibrato macht zwar die technischen Mängel deutlich, rückt jedoch die Faszination und Ausstrahlung der stets um einen Achtel- bis Viertelton abweichenden Stimme der Brasilianerin in das Zentrum der Darbietung.
Musik wirkt niemals belanglos. Ganz in ihrem Element sind die beiden silbrig glänzenden Geräte, wenn es um die Wiedergabe von Stimmen und natürlichen Instrumenten geht. So beim Requiem Opus 48 von Gabriel Faure, das ich in einer Einspielung mit dem vorzüglichen Rotterdamer Philharmonischen Orchester unter Jean Fournet und dem Niederländischen Radiochor besitze (Philips 446 201-2). Ich genieße es, dabei der Stimme der berühmten holländischen Sopranistin Elly Ameling zu folgen.

Musik wirkt über diese Kombination niemals belanglos, man wird förmlich mitgerissen von den Klangmustern und Farben, die man neu zu entdecken im Begriff ist. Um es gleich anzumerken: Der RG 9 MK 4 Reference ist nicht nur Topklasse, wenn es um CD-Wiedergabe geht. Die eingebaute Phonostufe musiziert ebenfalls auf sehr hohem Niveau und kann es selbst mit guten externen Phonoverstärkern durchaus aufnehmen. Überraschend übrigens auch die Qualität, die man bei der Wiedergabe über Kopfhörer erzielt. Exzellente Geräte durch und durch? Ja, bis auf einige Kleinigkeiten wie das Geräusch beim Aus- und Einfahren der Lade des Vibrato oder die beiliegende Bedienungsanleitung, die recht hausbacken wirkt.

Im Umkehrschluß kann man es jedoch „charmant-nostalgisch" nennen. Und schade auch, dass man die verschraubten, äußerst massiven Cinchbuchsen des Vibrato nicht auch dem Verstärker spendiert hat. Aber das war's dann schon und es tut meiner Begeisterung für die Kombi keinen Abbruch. Einen ganz dicken Pluspunkt hebe ich mir bis zum Abschluss auf. Rolf Gemein baut seine Geräte nach der Philosophie „Wachsen statt weggeben". Demnach lassen sich selbst zwanzig Jahre alte Verstärker des Hauses - etwa der RG 1 - zu fairen Konditionen aufrüsten und sogar auf ein größeres Modell umbauen.

Auf diese Weise kann jedes Symphonic-Line-Gerät zur Liebe für ein ganzes HiFi-Leben werden. Eine geniale Idee, die leider noch zu wenig Nachahmer gefunden hat. Und zugleich ein starkes Kaufargument für jene, deren Horizont etwas weiter gespannt ist. Kein Zweifel: Diese Kombination der Duisburger Edelschmiede klingt nicht nur phänomenal, sie ist auch eine zukunftssichere Investition. Wer die interessanten hauseigenen Upgrade-Möglichkeiten nutzt, bleibt technisch am Letztstand und erspart sich nach zehn oder fünfzehn Jahren den Umstieg auf völlig neue Geräte. So gesehen, liegt Rolf Gemein mit seinem eingangs zitierten Anspruch auf 20.000-Euro-Wert sicher richtig.

Wie auch immer - wenn jetzt beide Testgeräte wieder HOME gehen, werde ich sie sehr vermissen. Es war eine schöne Zeit! Auf den Punkt gebracht. Eine Vollverstärker / CD-Spieler-Kombination zum Verlieben.

Die hochwertig verarbeiteten und sehr gut aussehenden Geräte machen Musikhören zum gleichermaßen akustischen wie optischen Erlebnis. Stimmen und Instrumente werden greifbar plastisch in den Raum gestellt, der musikalische Fluß ist hinreißend. Alles fein gezeichnet, jedoch nicht penibel und aufgesetzt. Hier ist alles da, vom abgrundtiefen Basskeller bis zu den samtigen Höhen. Die Aufmerksamkeit des Zuhörers wird auf die „Schokoladenseite" einer Aufnahme gelenkt, klangliche Minuspunkte fallen dadurch subjektiv weniger ins Gewicht und lassen sich besser verschmerzen. Ein CD-Spieler, mit dem auch eingefleischte Analogfreunde bestens leben können und ein exquisiter Vollverstärker, der musiziert und sonst nichts! Alles zusammen eine gelungene Investition für Jahrzehnte, denn in den Geräten von Rolf Gemein ist die Zukunft durch Upgrades und Ausbaustufen sozusagen bereits eingebaut.

HARALD OBST