1995_Der beste Tonabnehmer: Tonabnehmer RG8 GOLD
Der beste Tonabnehmer: Tonabnehmer RG8 GOLD
Symphonic Line die Nummer 1? von Joachim Pfeiffer
(Achtung!! - Tonabnehmer wurde weiterentwickelt!)
Rolf Gemein hatte einen Traum.
Der beste Tonabnehmer aller Zeiten sollte seinen Markennamen"Symphonic Line" tragen. Ein System der Superlative, das alle bisherigen klanglich in den Schatten stellen sollte. Auch preislich. Denn der Wirklichkeit gewordene Traumabtaster kostet ein kleines Vermögen.
STEREO überprüfte, ob Gemeins Anspruch ins Schwarze trifft. Das Symphonic Line RG 8 Gold im Exklusivtest.
Das passiert selten: Geplant hatten wir für diese Ausgabe einen Bericht über diverse neue Tonabnehmer. Und
jeder weiß um die Arbeit, die Systeme den Testern bescheren: Die analogen Kostbarkeiten gehören eingespielt,
an diversen Armen montiert, über verschiedene Phonoverstärker abgehört und und und.
Erst nach wochenlangem Hören dürfen wir es uns erlauben, einen Abtaster zu bewerten. Und nun das: Kurz vor Schluss erreichte uns ein Tonabnehmer, der die sorgfältige Planung über den Haufen warf. Rolf Gemein schickte ein noch uneingespieltes Symphonic Line RG 8 Gold, verbunden mit der Bitte, es noch mindestens fünfzig Stunden
„einzufahren". Mit anderen Worten: Für diese Ausgabe kam das Nobelsystem eigentlich viel zu spät. Und auch
der Preis, exakt 12.198 Mark (kein Druckfehler), verbot die Aufnahme ins avisierte Testfeld. Meine Vernunft
diktierte: Beachte das RG 8 Gold überhaupt nicht, lass es „links" liegen und beschäftige dich erst nach Ablauf
der Produktion mit diesem Spitzenabtaster. Aber hatte nicht die altehrwürdige „Stereophile" berichtet, das
Gemeinsystem wäre das beste dieser und aller anderen Galaxien? Gut drei Stunden währte meine Standhaftigkeit, dann wurde ich schwach.
Das Symphonic Line fand sich - wie von Geisterhand montiert - unter der Headshell des Tonarms SME Series
V. Zwei Minuten später reifte in mir die Gewissheit, den Heftplan umzuwerfen. Das Symphonic Line ist auf den
ersten Blick als Arbeit von Altmeister Aalt ]ouk van den Hul zu erkennen. Es unterscheidet sich optisch nur
marginal vom legendären System Grasshopper III Gold, das ich seit Jahren schätze und immer wieder gern einsetze. Am Grasshopper faszinieren mich Dynamik und Direktheit der musikalischen Reproduktion.
Andere Systeme, allen voran das Audioquest 7000 NSX, überzeugen mich mit einer gelungenen Mischung aus Dynamik, Klangfarben und Rauminformation. In dem Sinne ist das alte Hul weniger ausgewogen, aber es hat Charakter, das zählt. Mit dem RG 8 löst sich das gesamte Werk erstmalig völlig frei von Verzerrungen auf. Auf dem rechten Kanal entfaltet sich konturenstark und differenziert wie nie zuvor die Gitarre, auf dem linken bläst ein leibhaftiger Interpret das Horn und dann... in der Mitte steht ein lebensgroßer Mick Jagger, der rotzfrech und aggressiv sein „You Can't Always Get What You Want" singt. Dagegen wirkten bisherige Darbietungen fast schon wie Abziehbilder, mal größer, mal kleiner, aber irgendwie doch alle begrenzt. Fritz Wunderlich (Der große deutsche
Tenor; EMI 2909883, vergriffen) lege ich nur in den seltenen Fällen auf, wo ich rundherum mit meiner Anlage
und mit mir zufrieden bin. Der vor vielen Jahren verstorbene Tenor erwies sich stets als harter Prüfstein bei der
Beurteilung analoger Komponenten. Wunderlichs wunderbare Stimme völlig unverkrampft und ohne jede
metallische Schärfe aus der Rille zu lesen, gelingt nur wenigen Systemen. Das RG 8 Gold schafft erneut deutlich
mehr. Es lässt total vergessen, einer Konserve zu lauschen. Der geschätzte Fritz Wunderlich scheint wiederauferstanden.
Selten zuvor war mir so bewusst, dass Schallplatten Kulturgut sind. Vladimir Horowitz in Moscow" (Deutsche Grammophon 419499-1) ist eine Aufnahme, die ich eigentlich in Rotation versetze, um ein nagelneues System einzuspielen. Die von der Deutschen Grammophon 1986 veröffentlichte Scheibe ist digital vorproduziert, dynamisch gibt sie sich eher bescheiden - kein Wunder, wenn die Laufzeit einer Seite stattliche 35 Minuten beträgt (...erraten, das ist auch der Grund, weshalb ich diese Platte für das Weichklopfen neuer Abtaster favorisiere). Mit dem RG 8 Gold habe ich mir nach langer Zeit das Vermächtnis des russischen Interpreten in voller Länge angehört. Und war schlichtweg begeistert von der Atmosphäre, der authentischen Darstellung von Raum, Instrument und Reaktionen des Publikums. Die naheliegende Erwartung, das RG 8 Gold klinge wie eine Mixtur aus dem alten und dem aktuellen Grasshopper IV, musste ich schon während der ersten Hörsekunden revidieren. Das RG 8 Gold setzte sich geradezu dramatisch von allem ab, was mir bislang unter die Headshell gekommen ist. Vielleicht können die großen und teuren Systeme von Clearaudio noch mithalten, der Rest hat wohl das Nachsehen. Das RG 8 Gold macht alles richtig, besser noch: richtiger. Klangfarben werden besser aufgefächert, Dynamik ist bis in die
kleinsten Verästelungen zwingender und die Rauminformation läßt selbst Spitzenklasseabtaster irgendwie
flächig erscheinen. Womit sich das RG 8 aber vollends aus der bisherigen Klasse der Toptonabnehmer abhebt,
ist die Dreidimensionalität, die ungeheure Plastizität der Wiedergabe. Ein schottischer Hersteller hochwertiger
Plattenspieler hat einst einer erst belächelten, dann begriffenen Theorie zum Durchbruch verholfen. Nicht der
Abtaster, sondern das Laufwerk mache die Musik. Es lohne nicht, ein Supersystem an einen mittelmäßigen Arm
auf einem fragwürdigen Dreher zu montieren. Grundsätzlich stimmt das. Aber das RG 8 Gold relativiert
zumindest die Aussage.
Wesentliche Vorzüge des Symphonic Line blieben durchaus erhalten, als es probeweise von einem SME 309 auf
einem Zarathustra S 4 geführt wurde. Diese Kombination ist zwar alles andere als „fragwürdig", erreicht aber
auch nicht das Niveau wirklicher Spitzendrehwerke, die musikalische Strukturen glaubwürdiger und
selbstverständlicher nachzeichnen. Genau in diesen Disziplinen verblüffte das RG 8, da meine Altformation
nicht nur detailreicher und räumlich exakter, sondern auch strukturierter als über viele Jahre gewohnt
musizierte. Ein Phänomen, das ich gemeinhin der Güte von Laufwerken zuschreiben musste.
Verlassen wir in diesem Bericht die übliche Testroutine und legen ein paar Klassiker aus Vinyl auf den
Plattenteller des Transrotor Quintessence. Aufnahmen, die mich und womöglich auch Sie ein halbes Leben
lang begleiten, die Sie und ich folglich aus dem „eff-eff" zu kennen glauben.
Rolling Stones: „You Can't Always Get What You Want" (Originalaufnahme, Decca, 1969). Das Stück beginnt mit einer Chorsequenz, die über das RG 8 ungewöhnlich frisch und luftig reproduziert wurde. Insbesondere gegen Ende des Intros störte gemeinhin ein leicht „scheppernder" Klang, epochales Ereignis. Horowitz, sechzig Jahre zuvor aus der Sowjetunion geflüchtet, kehrt vor seinem Tod in die Heimat und spielt, als ob er das Auditorium inbrünstig um Verzeihung bittet, um Liebe und Anerkennung anficht. Wohlgemerkt, die Aufzeichnung ist digital. Ich nehme es zur Kenntnis, aber in diesem besonderen Fall stört es mich überhaupt nicht.
Gegen Digitaltechnik im allgemeinen habe ich nämlich nichts einzuwenden, wohl gegen CDs, die schlampig
produziert wurden. DAT beispielsweise ist aus unserer Sicht ein hervorragendes Medium, analoge Vinylklänge
einzufangen. Sie werden es vielleicht als Sündenfall werten, aber von jedem Tonabnehmer, von jeder
Laufwerks-/Tonarm-konfiguration fertige ich seit Jahren DAT-Kopien. Über entsprechend hochwertige Wandler
abgehört, bleibt zirka neunzig Prozent des analogen Zaubers erhalten. Genug jedenfalls, um mich auch nach
geraumer Zeit an die Klangeigenschaften der analogen Quelle zu erinnern.
Das sage ich Ihnen nicht ohne Hintergedanken. Zehn treuen Lesern möchte ich ein besonderes Geschenk bereiten. Sie sollen teilhaben und mittelbar nachvollziehen können, was das Symphonic Line RG 8 Gold leistet. Was sind Worte, nur die Musik zählt. Jeweils 1:1 habe ich für sie Kopien von den Schallplatten gefertigt. Aussagekräftige Titel, die Ihnen eine Ahnung davon vermitteln sollen, mit welcher Autorität das Symphonic Line komplexes Musikgeschehen reproduziert. Als Laufwerk dient natürlich der Transrotor Quintessence mit Tonarm Graham 1.5 T „Keramik", die Phonoverstärkung übernimmt der Mark Levinson No. 25 S (abgeschlossen mit 10 kOhm), via NBSProfessionalkabel gehts direkt in den DAT-Recorder. Schreiben Sie uns unter dem Stichwort „Symphonic Line"
eine Postkarte, unsere Redaktionssekretärin wird mit verbundenen Augen die Gewinner ziehen. Wer diesen
Abtaster hört, wird um digitale Komponenten einen großen Bogen machen; wer diesen Abtaster zerstört oder
ganz einfach verschleißt, braucht indes nicht zu befürchten, seine immense Investition sei für die Katz'. Zum
Freundschaftspreis von knapp 400 Mark wird dieses außergewöhnliche Stück Technik mit neuer Nadel
versehen und vermag dann wieder mindestens 2600 Betriebsstunden Freude zu entfachen.
Himmliche Freude